- PMCF - Klinische Nachbeobachtung
- 16. Dezember 2022
PMCF: Post-market clinical follow-up – die klinische Nachbeobachtung
Die MDR bringt eine Reihe neuer Begrifflichkeiten und Abkürzungen mit sich. Einer davon ist PMCF – Post-market clinical follow-up. Auf Deutsch: Die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen. Doch was ist das genau? In diesem Beitrag werden wir Ihnen erklären, worum es sich bei diesem Begriff handelt. Sie werden zusätzlich erfahren, für welche Produkte PMCF erforderlich ist und welche Möglichkeiten es gibt, diese Anforderung der MDR umzusetzen. Zusätzlich können Sie die Templates für den PMCF Plan und Evaluation Report herunterladen, die den MDCG Dokumenten angefügt sind.
Die Medizinprodukteverordnung bringt im Bereich der Überwachung nach dem Inverkehrbringen eine Reihe neuer gesetzlicher Anforderungen mit sich. Es ist gar nicht so, dass ein gutes PMS-System nicht schon zu Zeiten der MDD in der Lage gewesen wäre, viele der MDR Anforderungen abzudecken. Doch jetzt wird die Erwartungshaltung klarer und die Umsetzung einheitlicher. Die MDR macht PMCF nun zu einem wesentlichen Bestandteil der Überwachung nach dem Inverkehrbringen. Dies ist Teil eines ganzheitlichen Lebenszyklus-Modells. Während des Lebenszyklus eines Medizinprodukts sollen dauerhaft klinische Daten erzeugt, ausgewertet und beispielsweise zur Aktualisierung der klinischen Bewertung genutzt werden.
Ein PMS System gemäß MDR beinhaltet zwei untergeordnete Systeme. Eins davon ist reaktiv, also das klassische PMS; das zweite ist proaktiv. Der proaktive Teil wird durch die Medizinprodukteverordnung wesentlich wichtiger, als er es unter der MDD war.
Die Forderung nach dem proaktiven Ansatz der klinischen Nachbeobachtung und der stärkere Fokus auf die Überwachung nach dem Inverkehrbringen haben praktische Gründe. In der Entwicklung eines Medizinprodukts kann zwar ein umfangreiches Risikomanagement und eine Aussagekräftige klinische Prüfung durchgeführt werden. Doch häufig werden Risiken erst während der Anwendung der Produkte im Feld aufgrund von Skalierungseffekten bekannt.
Für welche Produkte wird PMCF benötigt?
Grundsätzlich wird PMCF für alle Produkte benötigt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, die Nichtanwendung im Rahmen der klinischen Bewertung zu begründen. Es stellt sich allerdings die Frage, warum PMCF für ein Produkt nicht anwendbar sein sollte?
Schauen wir zunächst auf folgende Punkte:
- Die klinische Bewertung soll auf Grundlage von klinischen Daten erstellt werden, um den Nachweis der Konformität darzulegen (Artikel 61, MDR).
- Auch bei Vorhandensein von klinischen Daten und erbrachtem Konformitätsnachweis im Rahmen der klinischen Bewertung verbleiben bei eigentlich allen Produkten gewisse Unsicherheiten darüber, wie sich das Produkt in der massenhaften Anwendung im Feld verhält. Das wird allein dadurch ersichtlich, dass hin und wieder neue Risiken entdeckt werden, die zuvor nicht bekannt waren. l
- Durch PMCF wird ein systematischer Ansatz gefordert, diese verbleibende Unsicherheit im Feld im Blick zu haben. Duch die Erzeugung und Auswertung klinischer Daten, während das Produkt im Markt ist.
- Die PMCF Maßnahmen sind daher so zu definieren, dass sie sinnvoll für das jeweilige Produkt sind.
Unter den oben genannten Aspekten wird schnell deutlich, dass PMCF zwar lästig sein mag, aber durchaus sinnvolle Daten generiert werden können. Es ist nachvollziehbar, dass die fortlaufende Erzeugung klinischer Daten mit einem Medizinprodukt aufwändig ist und insbesondere für Hersteller eine enorme Herausforder, die gar keinen Kontakt zum Anwender haben.
Und selbst wenn Kontakt zum Anwender vorhanden ist - Es ist insbesondere für KMU schwierig, beispielsweise Ärzte davon zu überzeugen, bei PMCF Maßnahmen mitzuwirken. Zeit der Ärzte und Kosten für deren Aufwände sind dabei kritische Faktoren.
Die MDR stellt nun aber den Patienten und dessen Sicherheit in den Fokus. Die Tatsache, dass PMCF Maßnahmen schwierig umzusetzen sind, ist daher keine gültige Begründung dafür, kein PMCF zu machen.
Eine Möglichkeit bietet Artikel 61 (10), worin beschrieben wird, dass in besonderen Fällen in denen der Nachweis der Konformität auf Grundlage klinischer Daten nicht geeignet ist, eine klinische Bewertung ohne klinische Daten erstellt werden kann.
Wenn man für sein Produkt grundsätzlich keine klinischen Daten benötigt und das über Artikl 61 (10) begründen kann, ist das natürlich eine gute Grundlage dafür, auch keine PMCF Maßnahmen zu machen. Wenn ich anfangs keine klinischen Daten brauche, wofür sollte ich sie in der Marktphase brauchen?
Bei allen anderen Produkten, die klinische Daten benötigen, wird die Argumentation gegen PMCF allerdings schwierig. Grundsätzlich richtet sich eine solche Begründung nach der Art des Produkts, der Zweckbestimmung und der Risikoklasse und muss sinnvoll darlegen, warum PMCF nicht notwendig ist. Je risikoreicher ein Produkt, desto schwieriger wird es, keine klinische Nachbeobachtung durchzuführen, weil klinische Daten in solchen Fällen tendenziell sehr wichtig sind. Ein PMCF Plan wird in jedem Fall benötigt, auch wenn die Maßnahmen an sich als nicht erforderlich begründet wurden. Der Plan verweist dann auf die entsprechende Stelle in der klinischen Bewertung.
PMCF und Klasse III sowie implantierbare Produkte
Für Produkte der Klasse III und implantierbare Produkte beschreibt der Artikel 61 zur klinischen Bewertung in Absatz 4 Möglichkeiten, dass die klinische Nachbeobachtung verpflichtend ist.
Wenn auf die Durchführung einer klinischen Prüfung aus einem der folgenden Gründe verzichtet wurde, muss ein zweckdienlicher Plan für die klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen erstellt werden. Darin ist die Durchführung von PMCF Studien zu beschreiben, um die Sicherheit und Leistung des Produkts nachzuweisen.
- Ihr Produkt wurde durch Änderungen eines von Ihnen bereits in Verkehr gebrachten Produkts konzipiert
- Sie haben nachgewiesen, dass das geänderte Produkte dem bereits in Verkehr gebrachten gleichartig (äquivalent) ist und Ihre benannte Stelle akzeptiert den Nachweis
- Die klinische Bewertung des bereits in Verkehr gebrachten Produkts ist in der Lage, die zutreffenden Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen für das geänderte Produkt nachzuweisen
Verbindung PMCF und klinische Bewertung
Bereits unter der MDD war die klinische Bewertung mit der Überwachung nach dem Inverkehrbringen verknüpft. Da die Medizinprodukteverordnung stärkeren Fokus auf den proaktiven Part, also die klinische Nachbeobachtung legt, spiegelt sich dies natürlich in der Verknüpfung zur klinischen Bewertung wieder.
Erzeugung klinischer Daten
Die klinische Nachbeobachtung als Instrument zur proaktiven Erzeugung von Daten zur Sicherheit und Leistung ist wichtiger Bestandteil des holistischen Konzepts der MDR. Es sollen während der gesamten erwarteten Lebensdauer des Produkts Daten erzeugt werden, um diese beispielsweise zur Aktualisierung der klinischen Bewertung und zur fortlaufenden Akzeptanz des Nutzen-Risiko-Verhältnisses zu verwenden.
Klinische Daten sind Informationen zur Sicherheit oder Leistung eines Produkts, die während der Anwendung erzeugt werden und aus folgenden Quellen stammen:
- Klinische Prüfungen
- Klinische Prüfungen oder wissenschaftliche Literatur über ein Äquivalenzprodukt
- Sonstige veröffentlichte klinische Erfahrungen, die einem Peer-Review unterzogen wurden
- Informationen aus der Überwachung nach dem Inverkehrbringen und der klinischen Nachbeobachtung
Aktualisierung der klinischen Bewertung
Die klinische Bewertung ist die Schnittstelle, an der alle verfügbaren Informationen zusammenlaufen, um die Sicherheit und Leistung des Produkts zu belegen. Dabei spielen neben Präklinischen Daten natürlich klinische Daten eine entscheidende Rolle.
Die Anwendung von Medizinprodukten im Feld führt häufig erst dort zu Problemen, die zuvor nicht identifiziert werden konnten. Diese Daten sind wichtige Aspekte für die Patientensicherheit, denn über die regelmäßig aktualisierte klinische Bewertung wird auch das Nutzen-Risiko-Verhältnis neu betrachtet. Aus diesem Grund sind die Daten aus der klinischen Nachbeobachtung für die Aktualisierung so entscheidend.
Die MDR besagt, dass die klinische Bewertung und die dazugehörigen Unterlagen während des gesamten Lebenszyklus des Produkts anhand der klinischen Daten zu aktualisieren, die sich aus der Durchführung des PMCF Plans ergeben und anhand der Daten, die sich aus dem PMS Plan ergeben.
Wenn nun eine Recherche nach wissenschaftlicher Literatur und klinischen Daten als Bestandteil der PMCF Maßnahmen geplant wird, ist das im Grunde eine regelmäßige Literaturrecherche, wie sie auch in der klinischen Bewertung stattfindet. Gibt das nicht die Möglichkeit, mit PMCF Maßnahmen arbeit einzusparen?
Die gleiche Literaturrecherche, die in der klinischen Bewertung durchgeführt wird, kann zum Beispiel jährlich als PMCF Maßnahmen durchgeführt werden. Man behält so also stets einen aktuellen Überblick über diese Daten. Wenn sich an den Daten aber nichts wirklich ändert und keine neuen Erkenntnisse gegenüber der klinischen Bewertung gewonnen werden, dann aktualisiere ich diese auch nicht.
Die Aufwände zur Literaturrecherche, die nun als PMCF Maßnahme entstehen, würden ohnehin bei der regelmäßigen Aktualisierung des CER anfallen. Die Überprüfung der PMCF Daten ist aber vermutlich weniger aufwändig, als die klinische Bewertung zu aktualisieren und einen klinischen Experten zum Review heranzuziehen.
Durch die MDR Anforderungen, die klinische Bewertung auf Grundlage der Daten aus dem PMS- und PMCF-Plan zu aktualisieren, kann also eine verringerte Frequenz der nötigen Aktualisierung der klinischen Bewertung entstehen. Und wenn tatsächlich mal ein Update nötig ist, haben Sie die Literaturrecherche 1:1 wie im CER durchgeführt. Es ist also ein leichtes, diese Daten in die klinische Bewertung zu übertragen.
Auf diese Weise kann mittels eines systematischen Vorgehens die klinische Bewertung im Sinne der MDR aktualisiert werden, ohne dass dabei Mehraufwände entstehen.
Eine gern genutzte Möglichkeit sind Anwenderbefragungen. Diese Daten haben zwar ein niedriges Evidenzlevel, werden aber bei vielen etablierten Produkten als PMCF Maßnahme akzeptiert. Es ist eine relativ simple Möglichkeit, Daten mit wenig Kosten zu erzeugen.
Sollten für ein Produkt wirklich PMCF Studien nötig sein, wird das Ganze wesentlich aufwändiger. Mehr dazu unten im Blogbeitrag.
Die PMCF Studie und andere Maßnahmen
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, über den proaktiven Weg der klinischen Nachbeobachtung entsprechende Daten zu erzeugen. Einige davon stellen wir Ihnen im folgenden Abschnitt vor.
PMCF Studie
Die Durchführung einer PMCF Studie mit einem entsprechend soliden Studiendesign ist der Gold Standard zur Erzeugung klinischer Daten. Solche Studien werden über die ISO 14155 abgedeckt und sind gemäß dieser Norm durchzuführen. Dabei sollte auf die Wahl der Studienendpunkte und statistische Grundlagen geachtet werden, um eine angemessene Datenqualität zu erzeugen.
Der verpflichtend erforderliche PMCF Plan ist dabei die Grundlage für alle PMCF Aktivitäten und muss relevante Informationen über die geplanten Maßnahmen enthalten.
In Zukunft werden durch die neuen Anforderungen der MDR mehr Hersteller dazu verpflichtet sein, eine PMCF Studie zur klinischen Nachbeobachtung durchzuführen.
Sollten Sie Unterstützung bei der Planung und Durchführung von PMCF Studien benötigen, kontaktieren Sie uns gern.
Anwendungsbeobachtung / -befragung
Die Befragung von Anwendern, also z.B. Ärzten, kann hilfreiche Informationen zu einem Produkt liefern. Dabei ist darauf zu achten, dass die Anwendungsbeobachtung klar von einer Studie abzugrenzen ist und keine Patientendaten ausgewertet werden, die eine Einverständniserklärung erfordern würden.
PMCF Templates
Die Medical Device Coordination Group (MDCG) hat für die einheitliche Dokumentation der klinischen Nachbeobachtung hilfreiche Dokumente zur Verfügung gestellt. Darin gibt es neben nützlichen Erklärungen auch zwei Templates, die genutzt werden sollten.
Das PMCF Plan Template können Sie hier herunterladen.
Das PMCF Evaluation Report Template können Sie hier herunterladen.